Auf phantastischen Pfaden

Am 4. Oktober ist es soweit. Die Anthologie "Auf phantastischen Pfaden" erscheint im Karl May Verlag Bamberg. Sie gehört zur neuen Reihe "Karl Mays magischer Orient". Zeitgleich erscheinen auch Band 1 und 2 dieser Buchreihe, geschrieben von Alexander Röder. Denn eins ist sicher: Heute würde Karl May Fantasy schreiben!







Ich bin in der Anthologie mit zwei Geschichten vertreten:
Das Vermächtnis des Kara" und "Durchs wilde Ernstthal".

 Das Vermächtnis des Kara




Leseprobe:


„Es selâm 'alejkum! Darf ich mich ans Feuer setzen?“, fragte ich die Gesellschaft. Der flackernde Schein beleuchtete sonnengegerbte, zerfurchte Gesichter. Die hellen Turbane leuchteten im Dunkel der Wüstennacht. Einer der Araber erhob sich. Er war recht klein und dürr. Sein nicht mehr weißer Burnus war sichtlich für einen viel größeren Mann gefertigt. Ein paar Fasern am Kinn und einige Spinnfäden rechts und links der Nase deuteten wohl einen Bart an, der die Lippen frei ließ, die sich nun zu einem freundlichen Lächeln verzogen. Mit der Hand beschrieb er eine einladende Geste.
Ich nickte dankend und setzte mich ans wärmende Feuer. War die Wüste bei Tage ein brennender Glutofen, so war es des Nachts sehr kalt unter dem leuchtenden Sternenband.
„We 'alejkum es selâm!“, antwortete nun der Araber. „Wer seid Ihr?“
„Mein Name ist Albin Wadenbach.“
Jemand bot mir einen Korb mit Datteln. Ich nahm einige in die Hand und reichte ihn weiter. Die Kamele der Reisenden lagerten nahe der Wasserstelle und ich konnte ihr Schnauben und Brummen hören.
„Was führt Euch durch dieses Land, Sihdi?“, fragte mich der Bärtige. Seine Augen funkelten wissbegierig im Licht des Lagerfeuers.
„Ich bin Reporter und schreibe einen Reisebericht über den Orient“, antwortete ich.
„Oh. So kommt Ihr aus dem Abendland?“
„Ja. Das ist wahr ... Und wohin führt Euer Weg?“
Der Mann steckte sich eine Dattel in den Mund und begann bedächtig zu kauen. Dann antwortete er: „Wir bringen Waren von Bagdad nach Stambul.“
Ich blickte ins Feuer. Die Auskunft kam mir seltsam vor, denn diese Oase hier lag gewiss nicht auf der beschriebenen Route. Doch hütete ich mich, einen Verdacht laut zu äußern. Ich kannte diese Leute nicht und war lieber vorsichtig.
„Habt Ihr, Sihdi Wadenbak, schon Berichtenswertes erlebt?“ Das Männchen stopfte sich wieder eine Dattel in den Mund. Seine Gefährten saßen still daneben und lauschten unserem Gespräch.
„Ich weiß nicht“, gestand ich leise, „ob es berichtenswert ist. Doch ich hatte vor wenigen Tagen eine seltsame Begegnung.“
„Oh, wenn es Euch gefällt, so erzählt uns davon. Wir lauschen gern seltsamen Geschichten. Dies verkürzt uns die Nacht.“
Nun stopfte ich mir meinerseits eine der süßen Datteln in den Mund, um Zeit zu gewinnen und kaute lange auf ihr herum. Ich überlegte, wo ich beginnen sollte...


Durchs wilde Ernstthal




Leseprobe:


Die Mai-Sonne schien warm auf mich herab. Ich mäßigte meinen Lauf, denn meine Beine wurden mir schwer und meine Lungen brannten. Der Anstieg zum Oberwald hatte mich doch sehr angestrengt und mein Puls raste. Das Herz klopfte mir bis in den Hals. Hatte ich die Häscher der Justiz abhängen können? Ich lauschte. Es war kein verdächtiges Geräusch zu vernehmen, kein Knacken von Zweigen unter schwerem Tritt, kein rollendes Gestein losgetreten von Polizeistiefeln. Gedämpftes Geläut der Ernstthaler Glocke war zu hören – unten aus dem Tal. Doch die Bäume ringsum verwehrten mir den Blick auf den Ort meiner Kindheit. Ich schüttelte die Erinnerungen ab, die mich zu übermächtigen versuchten. Nach kurzem Verschnaufen rückte ich den Rucksack zurecht und trat in den stillen und geheimnisvollen Wald ein.

Die Äste der Bäume wölbten sich über mir und die zarten grünen Blätter filterten das Sonnenlicht. Ich lenkte meine Füße in den Hohlweg des Pechgrabens. Die Stimmen der Vögel waren wie Musik in meinen Ohren und mein wildes Herz begann sich zu beruhigen. Eine Amsel saß auf einem Zweig und trällerte ihr Frühlingslied. Weiter entfernt von der Höhe des Kiefernberges her drang das Tock-tock-tock eines Spechtes zu mir herunter. Der Warnruf eines Eichelhähers lies mich zusammenzucken. Meine Muskeln spannten sich wie die eines Pferdes vor dem Sprung. Mit angehaltenem Atem blickte ich mich um. Doch da war niemand. Mir wurde gewahr, dass ich selbst der Eindringling war, vor dem der Vogel warnte.
„Greenhorn!“, titulierte ich mich selbst und lachte in mich hinein. „Pshaw! Diesmal sollen sie mich nicht erwischen. Ins Arbeitshaus nach Zwickau kehre ich auf keinen Fall zurück.“
Weiter wanderte ich durch das romantische Tal, lauschte dem Gesang der Vögel und dem leisen Plätschern der Wasser des Pechgrabens. Bald vereinten sie sich mit den Wassern des Schindelgrabens. Nun wusste ich, dass das Ziel nicht mehr fern war. Ich setzte zum Sprung an und landete wohlbehalten auf der anderen Seite. Dichtes Buschwerk verdeckte dem unwissenden Wanderer den Bick in den Hohlweg. Ich bahnte mir einen Durchgang und endlich tat sich vor mir der Schlund der Eisenhöhle auf. Furchtlos trat ich in das Dunkel des Berges. Es sollte mein Schutz sein, mein Unterschlupf, bis sich die erregten Gemüter beruhigt hatten. Dann würde ich weiter ziehen. Doch vorerst schlug ich hier mein Lager auf.
Wenn auch nur im Geiste meiner Phantasie, so war ich doch ein geübter Westmann, der sich nicht vor den Herausforderungen der Natur fürchtete. Ganz im Gegensatz zu den Herausforderungen eines gutbürgerlichen Lebens, denen ich mich zum wiederholten Male nicht gewachsen sah. Doch sei gewiss, lieber Leser, dass ich auch diese eines Tages meistern werde. Fehlt mir doch einfach nur das Ziel meines Lebens und Zeit. Zeit, meiner Bestimmung zu entsprechen. All das zu Papier zu bringen, was schon lange in mir schlummerte. Doch die Zeit war ein unbarmherziger Sklaventreiber, der die Karawane der Ereignisse durch die Wüste des Lebens trieb. Und so war ich stets damit beschäftigt gewesen, mir Teller und Krug zu füllen, anstatt die leeren Seiten, die ich stets bei mir trug. Dies wollte ich nun ändern...

Es folgen - passend zur Leseprobe - ein paar Fotos:


Inschrift über der Karl May Höhle in Hohenstein-Ernstthal

Der Pechgraben


Die Karl-May-Höhle ist ein alter Stollen und geht ca. 33 Meter in die Bergwand.


Jacqueline besichtigt die Karl May Höhle